NACHSCHAU FACHDIALOG
28. Mai 2024 | Reitersaal, WIEN

Infrastrukturfonds Energie – Wege zum schnellen und fairen Netzausbau

Am 28.Mai 2024 setzte sich der Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) beim „Fachdialog Infrastrukturfonds Energie: Wege zum schnellen und fairen Netzausbau“ mit zentralen Fragen zur Finanzierung des Stromnetzausbaus auseinander.  Im Zentrum des Fachdialogs stand die im Auftrag des EEÖ erstellte Studie von Frontier Economics „Infrastrukturfonds Energie als Baustein für den Stromnetzausbau“. Unter Moderation von Sophie-Kristin Hausberger ging es im Dialog mit wichtigen Stakeholdern um Anforderungen an die „Netze von Morgen“ und die Frage, wie das Generationenprojekt Netzausbau gemeinsam und finanziell verträglich angegangen werden kann.

Mit der provokanten Frage „Was geht uns das als Erzeuger überhaupt an?“ führte Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des EEÖ in die Veranstaltung ein und zeichnete ein Bild der Anforderungen an die „Netze von Morgen“ durch den prognostizierten doppelten Strombedarf bis 2040, den Ausbau erneuerbarer Energie auf der Angebotsseite, doch auch durch die mit zunehmender Elektrifizierung in der Mobilität und den Einsatz von Wärmepumpen sich verändernde Nachfrageseite. Die erforderlichen Investitionen für den Netzausbau bis 2040 in Höhe von 53 Milliarden Euro seien ins Verhältnis zu setzen zu den jährlichen Ausgaben in zweistelliger Milliardenhöhe für fossile Importe und die vom WIFO ermittelten Kosten bei Nicht-Einhaltung der Klimaziele.  „Wenn wir nicht investieren, zahlen wir auf jeden Fall drauf,“ so das Fazit Prechtl-Grundnigs. Zugleich beschrieb sie den Netzausbau als das „Kaprun“ unserer Tage, um den über Generationen aufrechten Nutzen des Stromnetzausbaus zu charakterisieren.
Doch mit der Größe der Aufgabe würde die bisherige Finanzierungsweise und Regulierung an ihre Grenzen stoßen. Für die dringend notwendige Dynamik im Netzausbau und seine sozial verträgliche Gestaltung könne ein „Infrastrukturfonds Energie“ hingegen die notwendige Kapitalzufuhr gewährleisten, die Kosten für die Netznutzer dämpfen und den über Generationen bereitgestellten Nutzen berücksichtigen. Hier will der EEÖ eine wichtige und breite Debatte anstoßen.

Als Richtungsweiser für den zukünftigen Netzausbau und -umbau stellte Judith Neyer vom Referat Strategische Energiepolitik des Bundesministeriums für Klimaschutz den integrierten österreichischen Netzinfrastrukturplan, kurz ÖNIP, vor. Dieser ziele als übergeordnete strategische Planung im Einklang mit den Energie- und Klimazielen Österreichs auf eine klimaneutrale, effiziente und sichere Energieversorgung. Darin wurden auch sogenannte „Bottlenecks“, also Engpässe im Stromnetz durch hohe Leitungsbelastungen ermittelt. Fest steht laut Neyer: „Wir brauchen eine gut vermaschte und resiliente Netzinfrastruktur, um die Erneuerbaren vollständig in unsere Energieversorgung reinzuholen.“ Für die notwendige Beschleunigung der Genehmigungsverfahren stünden bereits wichtige Daten durch eine strategische Umweltprüfung für Landesbehörden zur Verfügung. Auf Gesetzesebene wichtigster Hebel sei jedoch das ausstehende Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG).

Wie die beträchtlichen Investitionen in die „Netze von Morgen“ unterstützt und verträglich gestaltet werden könnten, präsentierte Aria Rodgarkia-Dara von der Wirtschaftsberatung Frontier Economics, Studienautor der vom EEÖ in Auftrag gegebenen Studie „Infrastrukturfonds Energie als Baustein für den Stromnetzausbau“. Für die Energiewende sei das Angebot in Form der Erzeugung erneuerbarer Energie ebenso entscheidend wie die nutzerbasierte Nachfrageseite und die dazwischen liegenden Netze. Die für den Netzausbau notwendigen Investitionen seien zwar hoch, doch es nicht zu tun, würde Österreich noch teurer kommen.

Beim Ausbau handle es sich auch um ein beispielloses Investitionsprogramm. Netzbetreiber und Netznutzer sollten mit dieser Aufgabe nicht alleingelassen werden, gehe es doch um nichts geringeres als Versorgungssicherheit und Klimaschutz und damit Bereiche des öffentlichen Interesses. Zugleich gelte es auf zügigem Wege „Kapital in die Netze hineinzubekommen“, da die „Zeit der reinen Innenfinanzierung“ auch in Anbetracht der Dringlichkeit vorbei sei. Auch hätten die Netzbetreiber ganz unterschiedlichen Ausbaubedarf, die Unterschiede in den Bundesländern dürften nicht zu bundesweiten unverhältnismäßig großen Ungleichgewichten bei den Netzentgelten führen.

Anforderungen an die Netze von Morgen seien zahlreich, so Rodgarkia-Dara, und sprächen für die Implementierung eines ganz bestimmten Finanzierungsinstrumentes: „Ein staatlicher Infrastrukturfonds Energie kann als Teil eines Gesamtpakets Finanzierungslücken bei Netzbetreibern schließen, Netznutzer entlasten und für eine raschere Energiewende sorgen“, zeigte sich der Studienautor überzeugt. Dieser staatliche Infrastrukturfonds könnte sich zusammensetzen aus nicht-rückzahlbaren Investitionszuschüssen sowie Mitteln zur Bereitstellung von Eigenkapital und Fremdkapital. Die genaue Zusammensetzung und die Höhe der Dotierung eines solchen Fonds sei im Wesentlichen politisch zu entscheiden, auch wie der Fonds am Ende finanziert werden könnte. Die Diskussion sei mit dem Vorschlag für einen staatlichen Infrastrukturfonds Energie jedenfalls eröffnet. Eine Ergänzung um weitere regulatorische und finanztechnische Elemente könne die Wirkung des Instrumentes noch erweitern.

In der anschließenden Podiumsdiskussion „Auf dem Weg zur Transformation unseres Energiesystems: Anforderungen an die Netze von Morgen und ihre Finanzierung” wurde mit Vertreter*innen der Netzbetreiber und Erzeuger diskutiert. Schnell wurde klar, dass es sich beim bevorstehenden Netzausbau um ein Projekt von noch nicht dagewesener Dimension handele. Mit dem Blick auf das Gesamtsystem Energiewende brauche es einen planerischen Ansatz, wie er auch mit dem ÖNIP seitens des BMK vorgelegt wurde. Diesen Plan gelte es nun in die entsprechende Infrastruktur herunterzubrechen. Die Investitionen seien hoch, ein Finanzierungsproblem gebe es bisher zumindest für größere Netzbetreiber nicht. Doch die Herausforderung bestünde darin, insbesondere Eigenkapital zu beschaffen, um Finanzierungskosten gering zu halten. Dabei müsse zuvor die Frage gestellt werden, welches Netz wollen wir haben. Anstatt so viel wie möglich, müsse das Netz mit Augenmaß ausgebaut werden. Bestmögliche Nutzung der vorhandenen Kapazitäten durch Flexibilisierung und andere „smarte“ Instrumente sei angezeigt, um kostensparend zu agieren. Für die Kapitalbeschaffung könne ein staatlicher Infrastrukturfonds unterstützend wirken, um zusätzliches Kapital, auch von artfremden Investoren wie bspw. Lebensversicherungen, anzuziehen. Eine Dynamisierung des Netzausbaus durch angepasste Finanzierungsmodelle könnte in Kombination mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz viele Steine aus dem Weg räumen.

In der abschließenden Diskussion „Gemeinsam für eine tragfähige Netzinfrastruktur:  Finanzierung eines Generationenprojekts“ ging es im Gespräch mit Sozialpartnern, Netzen und Erzeugung um die kontroverse Frage der Kostentragung. Deutlich wurde, dass es Anpassungen durch neue Kundengruppen würde geben müssen. Sogenannte Prosumer müssten stärker berücksichtigt werden. Auch kam die Forderung auf, Erzeuger und Nutzer auf höheren Spannungsebenen stärker in die Pflicht zu nehmen. Demgegenüber , DD stehe die Erzeugerseite durch internationalen Wettbewerb unter Druck und beteilige sich mit dem festgelegten Netzpauschal bereits an den Netzerrichtungskosten. Höhere Belastungen würden deshalb den wichtigen Ausbau der Erneuerbaren lahmlegen, erhöhte Gestehungskosten sich ohnehin wieder auf der Verbrauchsseite niederschlagen. Auch in dieser Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, ob es ein Netz brauche, das für maximale Leistung ausgelegt sei, oder ob Einspeiser auch zukünftig heruntergeregelt werden dürften, um eventuell Kosten zu sparen. Dabei seien Transparenz, klare Regeln, Wirtschaftlichkeitsfaktoren bei der Erzeugung und die Wichtigkeit von steigenden Mengen an erneuerbarem Strom wesentlich.

Der Markt allein scheint den Netzausbau und seine Finanzierung nicht zu richten. Für Beschleunigung im Netzausbau könnten konventionelle Finanzierungsmittel an ihre Grenzen gelangen, auch soziale Folgen gehörten dringend abgefedert. Nicht zuletzt gelte es zu klären, wie die Kosten für den Netzausbau bundesweit gerecht verteilt werden könnten. Der passende rechtliche Rahmen durch ein EABG wurde auch in dieser Diskussionsrunde angemahnt.


Webstream aufzeichung

Teil 1 | Vorträge
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Teil 2 | Diskussionen
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VorträGe und Präsentationen

Der Integrierte Österreichische Netzinfrastrukturplan
- für den zielgerichteten Aus- und Umbau zu einer klug verschränkten Energieinfrastruktur

Judith Neyer | Referat Strategische Energiepolitik, BMK
Präsentation downloaden

 

Investitionen ermöglichen und Kosten abfedern:
Der Infrastrukturfonds Energie für einen schnellen und fairen Netzausbau

Aria Rodgarkia-Dara | Frontier Economics
Präsentation downloaden

Thesenpapier:
Infrastrukturfonds Energie als Baustein für den Stromnetzausbau

Frontier Economics im Auftrag von Erneuerbarer Energie Österreich
Download


Podiumsdiskussionen


“Auf dem Weg zur Transformation unseres Energiesystems:
Anforderungen an die Netze von Morgen und ihre Finanzierung”

Impuls: Eva Tatschl-Unterberger | KNG – Kärnten Netze GmbH

Gerhard Christiner | APG
Alfons Haber | E-Control
Aria Rodgarkia-Dara | Frontier Economics
Josef Plank | IG Windkraft

“Gemeinsam für eine tragfähige Netzinfrastruktur: 
Finanzierung eines Generationenprojekts”

Impuls: Kerstin Plank | Institut für Höhere Studien

Joel Tölgyes | Arbeiterkammer Wien
Franz Strempfl | Oesterreichs Energie
Vera Immitzer | Photovoltaik Austria
Claudia Hübsch | Wirtschaftskammer Österreich

Moderation: Sophie-Kristin Hausberger
Programm downloaden

 

Fotos: Astrid Knie | astridknie.at
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