Im Mutterland der industriellen Revolution geht das letzte Kohlekraftwerk vom Netz

Es ist sicher zu früh, das Ende der globalen Kohleverstromung auszurufen. Doch deutliche Signale am Horizont lassen ein Ende des Kohlezeitalters in nicht zu ferner Zukunft erwarten. Ein solches ist die Schließung des letzten Kohlekraftwerks in Großbritannien mit Ende September dieses Jahres. Die neue Regierung im Mutterland der industriellen Revolution unterstützt den Ausbau von Windenergie und Photovoltaik und verfolgt das Ziel, bis 2035 elektrische Energie praktisch CO2-frei zu produzieren.

Großbritannien stieg in die Nutzung der Kohle ein, weil es dem Königreich im 18. Jahrhundert zunehmend an Holz mangelte. Die Kohlenutzung verselbständigte sich aber bald, Kohle wurde zum auslösenden Energieträger der industriellen Revolution und Großbritannien zu ihrem Pionier: Mit Kohle wurden Häuser beheizt, Stahl hergestellt, Dampfmaschinen, Eisenbahnen und Schiffe wurden mit Kohle betrieben, später wurde elektrische Energie in Kohlekraftwerken produziert. Über Jahrzehnte und Jahrhunderte schien sich daran kaum etwas zu ändern. Noch Anfang der 1990er Jahre wurden in Großbritannien 210 von 300 TWh, also gut zwei Drittel der elektrischen Energie, aus Kohle produziert.

Der Abschied von der Kohle ging nicht spontan vor sich. Höhere Auflagen zur Luftreinhaltung und notwendige Modernisierungen ließen die Preise steigen. Zuerst wurde Kohle von Erdgas ersetzt, dann zunehmend von Erneuerbaren wie Wind, Solarenergie und Biomasse.

Global gesehen hat sich zwischen 1983 und 2011 der Kohleeinsatz auf ca. 45.000 TWh/a verdoppelt, wesentlich getrieben von Chinas Entwicklung seit der Jahrtausendwende. Seit damals ist der energetische Kohleverbrauch jedoch kaum mehr gewachsen. Auch in China, dem Land mit dem weltweit größten Park an Kohlekraftwerken, zeichnet sich die Ablöse der Kohle zumindest ab. Dort scheint man den Zwischenschritt über einen wachsenden Erdgasverbrauch zu überspringen und gleich zu den Erneuerbaren zu wechseln. 2023 werden bereits 886 TWh aus Windenergie erzeugt, das entspricht fast dem Zwölffachen des jährlichen Stromverbrauchs in Österreich, 584 TWh stammen aus Solarenergie, bei einem Gesamtstromverbrauch von 9 220 TWh. Zwar ist die Tendenz noch verhalten, 2023 wurden 50 GW an Kohlekraftwerken installiert, außerdem jedoch 260 GW an Photovoltaik und 75 GW Windleistung. Die Wachstumsraten der erneuerbaren Stromerzeugung in China sind die höchsten der Welt.

Hauptverantwortlich für den internationalen Abschied von der Kohle dürfte einerseits die zunehmende Bedeutung des Klimaschutzes durch allmähliche internationale Verrechtlichung sein. Das Carbon Border Adjustment der EU (kurz CBAM), eine Art CO2-Zoll, damit Produkte aus Regionen ohne CO2-Bepreisung nicht ungehindert auf dem europäischen Markt verkauft werden, ist ein Element dessen. Es sorgt dafür, dass Volkswirtschaften global die Weichen so stellen, dass ihre Produkte weniger an CO2-Last tragen. Andererseits verbilligen sich die „neuen“ Erneuerbaren wie Wind und Photovoltaik in atemberaubender Geschwindigkeit, so dass es auch ökonomisch immer weniger Sinn macht, elektrische Energie aus Kohle zu produzieren. In Großbritannien trägt erneuerbare Energie inzwischen zu 40% der Stromerzeugung bei und ist kostengünstiger als die traditionellste Technologie der Stromproduktion (vgl. EFA 81: Die herausragende Lernkurve der Erneuerbaren ).